Positions –
artists in dialogue 2024

30.06. – 10.09.2024

Schwetzinger Straße 91
D-68165 Mannheim
Mobil:
+49 (0) 177 400 6 222
Öffnungszeiten:
Freitag-Sonntag: 14-18 Uhr sowie nach Vereinbarung



Einladung ansehen

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Laudatio öffnen

Meine sehr geehrten Damen & Herren,

„Positions – artists in dialogue“ lautet der Titel dieser Ausstellung der Mannheimer Galerie Böhner im Kunstraum Viernheim. Aber es sind nicht die Künstler untereinander, die einen Dialog führen, zu dem bekanntermaßen mindestens zwei gehören. Es sind die Künstler mit ihren Betrachtern und Betrachterinnen, also mit Ihnen, meine Damen und Herren.

Insofern beschreibt der Titel der Ausstellung etwas ganz Essenzielles, denn der Künstler begibt sich immer in einen Dialog mit dem Betrachter, weil ein Kunstwerk nur in dieser Wechselwirkung entstehen kann und somit von vornherein dialogisch angelegt ist. So spricht der Heidelberger Philosoph Hans-Georg Gadamer von einer Art „Horizontverschmelzung“, der im Betrachtungsprozess stattfindet, indem der Betrachter aus seiner Perspektive heraus das Sehangebot des Künstlers durchdringt und somit auf geistiger Ebene das Bild für sich neu schafft.

Insgesamt neunzehn solcher Sehangebote finden Sie hier in der Ausstellung. Die allermeisten Künstler stammen aus Deutschland. Es gibt aber auch Kunstschaffende aus japanischen, russischen und türkischen Heimatländern. Einer der Teilnehmer kommt aus der Schweiz.

Aus vielen vorangegangenen Ausstellungen der Galerie Böhner, genauso wir hier im Kunstraum Gerdi Gutperle, wissen wir, dass heute die Kunst von internationalen Wechselbeziehungen beeinflusst wird. Unsere Welt ist so komplex geworden, dass sich Kulturräume stetig überlagern. So ist es auch hier. Es gibt verschiedene Grundrichtungen, die Sie erkennen können, wie die Figuration, die Abstraktion, den Impressionismus. Meistens sind es aber Werke, bei denen unterschiedliche Richtungen auf individuelle Art miteinander verbunden sind.

So zum Beispiel bei den Arbeiten von Hans Dieter Zingraff, hier an der Rückseite des großen ersten Raums. 1947 in Karlsruhe geboren, erlebte er seine künstlerischen Anfänge in Spanien, wohin er in den 70er Jahren übersiedelt war. Dort erhielt er bereits für sein realistisch geprägtes Frühwerk erste renommierte Auszeichnungen. Im Laufe seines weiteren künstlerischen Weges stellte er die engen Grenzen des realistischen Malstils in Frage und fand zu einem sehr individuellen, vielleicht in gewissem Sinne auch surrealistisch anmutenden Konstruktivismus, der spannende Bilderlebnisse hervorbrachte, ohne dabei auf narrative Attitüden zurückgreifen zu müssen. Damit brach er mit den herkömmlichen Bildformaten und der nach einer dreidimensionalen Logik aufgebauten Zentralperspektive.

Sein Gegenüber im vorderen Bereich der Ausstellung ist Savas Karagözlü. Seine dynamisch aufgebauten Pferdebilder durchbrechen die Dunkelheit wie helle Blitze. Anatomische Stimmigkeit der Zeichnung und energiegeladener Bildausdruck verbinden sich hier explosionsartig.

Die monochromen Fotografien von Gerold Maier bauen auf der Polaroid-Technik auf, bei der die Entwicklung der Fotografie in dem Fotoapparat integriert ist. Die älteren unter uns kennen diese Technik noch von früher. Lange war sie verschwunden, bis sie von Kunstschaffenden wie Gerold Maier für ihre Zwecke wiederentdeckt wurde.
Freilich ist es nicht die Technik allein, die hier die Wirkung des Bildes bestimmt. Es ist immer das Auge des Fotografen.

Sind Zingraff, Maier und Karagözlü Künstler, deren Arbeiten in der Galerie Böhner schon des Öfteren zu sehen waren, so gehören die Arbeiten von Ingrid Krüger zu den Neuentdeckungen in dieser Ausstellung. Sie kam zur bildenden über die angewandte Kunst, denn sie studierte Textildesign an der Ingenieurschule in Krefeld. Im Rahmen dieses Studiums beschäftigte sie sich besonders intensiv mit der Aquarellmalerei. Die Luftigkeit und Leichtigkeit dieser Technik hat sie begeistert. Vor allem die kraftvollen, gestischen Schwünge ihres Farbauftrags auf schwerem Aquarellpapier, das Zusammenspiel der naturhaften Farbigkeit des Trägermaterials und der in unterschiedlicher Dichte aufgetragenen Farbe.

Erweitert wird der Blick durch Plastiken und Skulpturen, die sie hier im Raum sehen. Da sind zum einen die keramischen Arbeiten von Gerdi Gutperle. Sie hat diese komplizierte Technik in Spanien erlernt. Durch die wundervollen, tiefschichtigen Glasuren entstehen feine Farbnuancen. Die Anlagen erinnern an archaische Säulen, eine Symbolik für das Wachstum. Pflanzenformen und Architektur verschmelzen hier zu vielgliedrigen Gebilden, deren Strukturen man im Sinne der eingangs angedeuteten Horizontverschmelzung im Geiste weiterentwickeln kann.

Vegetative Formen sind ebenfalls bei Sabine Gleser zu erkennen, deren Arbeiten hier in Korrespondenz zu denen von Gerdi Gutperle stehen. Diese Techniken des Brennens und Glasierens erfordern höchste Präzision. Hier war Patricia Hernandez von der Universität in La Paz, Mexiko, ihre Lehrerin. Von den verschiedenen Techniken des Brandes und der Glasur wie Pitfire und Raku, bei denen sowohl die Temperatur als auch die Sauerstoffzufuhr eine Rolle spielen, sehen sie hier in der Ausstellung eindrucksvolle Beispiele. „Meine Arbeiten sind Metamorphosen. Veränderungen und Wandlungen, Linien und Bewegungen sind dabei zentral.“

Glesers Arbeiten sind von der Natur inspiriert. Sie verbildlichen die Kraft und die Dynamik, die hinter den Veränderungen und Wandlungsprozessen stehen.

Favorisieren sowohl Gerdi Gutperle als auch Sabine Gleser die Keramik, so sind es bei Ellen Hallier Arbeiten aus Feinzement und Bronzeguss. Die Arbeiten wurden aus kompakten Formen heraus entwickelt. Dadurch suggerieren sie in ihrer Anlage den Eindruck von Statik und Festigkeit, fächern aber in ihrem weiteren Wachstum auf. Man erkennt Figuren und Menschgruppen, die zueinander in Verbindung stehen. Die monochrome, meist materialkonforme Farbgebung wird als Abschluss aufgetragen. Es handelt sich hierbei um Acrylfarbe, die abschließend lackiert wurde, sodass diese Arbeiten wetterfest sind und auch im Außenbereich stehen könnten.

Dem in Mannheim lebenden Bildhauer Philipp Wagenmann geht es um Naturformen. Sie sind für ihn, wie er auf seiner Homepage schreibt, ein Bündel vieler möglicher Formen, die aufgrund unterschiedlicher Einflüsse in ihrem Wachstum gestoppt, überformt und somit zu einer anderen Form des Werdens gelenkt wurden. All diese Spuren kann man in seinen Holzskulpturen entdecken. Sie wirken auf den ersten Blick monumental und in sich ruhend, beim näheren Hinsehen erkennt man jedoch die unterschiedlichen Prozesse, die sie zu dem werden ließen, was sie sind, Synthesen unterschiedlicher Wachstumsprozesse unter der Einwirkung äußerer Kräfte.

Mit den Mitteln der Malerei und der Zeichnung schafft Beate Hanek in ihren Bildern auf anderer Ebene etwas ganz Ähnliches wie Wagenmann, nämlich das Zusammenwachsen von unterschiedlichen Möglichkeiten, wie dem informellen, transparenten Farbauftrag und Zeichen, die wie die Zeichenschrift einer unbekannten Kultur anmuten, wobei offengehalten ist, ob Altertum oder Science-Fiction. Aber spielt das aus kosmischer Sicht wirklich eine Rolle? Durch die subtile Farbgebung und das geheimnisvolle Leuchten wirken diese Kompositionen wie Galaxien, in der Vergangenheit und Gegenwart miteinander untrennbar verschmelzen. Auf jeden Fall sind es Netzwerke, die in vielerlei Hinsicht den Kosmos durchziehen und einzelne Elemente, so getrennt sie auf den ersten Blick erscheinen mögen, miteinander verbinden.

Auch Vera Ludwig-Loster setzt in ihren Bildern auf starke Lichtkontraste, wie sie im Zusammenspiel zwischen der Leuchtkraft der Farbe und schwarzen, schattenrissartigen Figuren entstehen.

Das Licht, die magische Wirkung von Licht, ist genau das, was in einem Kunstwerk das Medium ist, das bei dem Betrachter die eingangs beschriebenen Gefühle auslösen kann: Assoziationen, welche das eigene Erleben in die individuelle Rezeption mit dem Kunstwerk verbindet.Auch kann man als aufmerksamer Betrachter mit dem vielfältigen Werk der Künstlerin eine Verbindung von Malerei und Grafik verbinden.

Um die magische Kraft des Lichts geht es in den „Lost Places“ von Ulrich Kälberer. Die dargestellten Szenen sind in ein geheimnisvolles Licht getaucht. Abbruchhäuser, verrottete Industrielandschaften im Zwielicht lassen Gedanken an die Vergänglichkeit aufkommen und erinnern an den magischen Realismus oder die Pittura metafisica der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Die Arbeiten im dritten Raum der Ausstellungen sind vorwiegend abstrakt. Leona Zeller studierte in Berlin an der Hochschule der Künste bei Klaus Fußmann. Fußmanns stark pastos aufgebaute Landschaftsbilder zeigten möglicherweise Einfluss. Wobei sie sich weitgehend von dem expressionistischen Bezug gelöst hat. Man glaubt vielmehr in ihren Bilder Landschaften zu überfliegen. Auch die Farben wirken eher wie die der südlichen Landschaften, wärmer und weicher als bei Fußmann.

Gestisch informell hingegen ist der Kontrast, den Nicole Guida mit ihren Arbeiten hier in der Ausstellung setzt. Es ist ein Akt der Befreiung, der uns die Künstlerin mit ihren Werken vorlebt und der durch ihr Gefühl für Rhythmus und Farbe auch auf der Ebene des Kunstwerks gelingt. Wie weit das Spektrum der informellen Malerei reicht und wie nah sie dabei bisweilen doch dem Impressionismus kommt, können Sie sehr gut durch den Vergleich zwischen den Arbeiten von Nicole Guida und ihrer Nachbarin in der Ausstellung, Nicole Franke, beobachten. Frankes Bilder wirken im Vergleich zu ihr mehr nach innen gerichtet. Sie wirken nachdenklich und dadurch in gewisser Weise poetisch, wohingegen man bei Guida eher an Rock- oder Pop-Musik denkt.

Frankes Arbeiten beziehen sich auf Naturszenen, die aus einer bestimmten Perspektive betrachtet, mit ihrer sensiblen Grundstimmung verschmelzen.

In diesem Zusammenhang stehen auch die Arbeiten von Dietlind Petzold. Ihre Inspirationsquelle sind ferne Regionen, wie der Hohe Norden. In dieser Ausstellung zeigt sie „Polarlichter“ (Aurora Borealis), Kreidezeichnungen auf Karton, die während einer Reise nach Norwegen und Finnland entstanden sind. Wieder ist es das Licht, das diesen Bildern eine mythische Kraft verleiht.

Christine Stettners Arbeiten verbinden unterschiedliche Techniken und Materialien und bleiben durch ihre tiefschichtig angelegte Farbkraft in Erinnerung. Wie im Traum verschmelzen Figuration und suggestive Farbwirkung.

Dabei wurden neben der herkömmlichen Acrylfarbe auch unkonventionelle Mittel und Techniken einsetzte, um so die Skala ihrer Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern. So arbeitet sie neben der herkömmlichen Acrylfarbe mit Wachs und Schelllack, um die Wirkung ihrer Bilder zu verstärken. Teilweise muten die Arbeiten auch wie Collagen an.

Schellack ist ein Material, das in der westlichen Kunst eher ungewöhnlich ist und Assoziationen mit dem Fernen Osten erweckt, mit dem die Galerie Böhner durch ihre japanische Partnergalerie besonders verbunden ist. Aus diesem Spektrum sehen Sie hier heute hier die Arbeiten von Tsuyoshi Matsuura, quadratische Formate, die genau an solche Lackbilder erinnern. Der Künstler schafft diese Wirkungen jedoch mit modernen Mitteln der Malerei und erzeugt solche Effekte im Kontext der zeitgenössischen Kunst, die er nicht unbedingt als einander im Widerspruch stehend begreift, denn der Kern des Schönen in der Kunst hatte immer einen Überzeitlichen Anspruch, jenseits von Stil und erst recht jenseits von Moden.

Auch Elena Timtschenko nutzt ungewöhnliche Farbmaterialien und Werkzeuge bei ihren filigranen Zeichnungen, die trotz ihrer Zartheit der Wucht der informellen Bilder in ihrer Nachbarschaft standhalten. Schon als Kind hat sie mit Kugelschreibern gezeichnet und dabei die erstaunlichsten Dinge festgehalten, die ihr auf ihren Reisen durch die Taiga oder im Nordkaukasus begegnet sind. Dabei erlernte sie, wie sie sagt, das Sehen und das Erkennen von Räumen. Was der oberflächlichen Betrachtung entgeht, fängt sie ein. Mit offenen Augen durchs Leben zu gehen bedeutet, die Perfektion zu erkennen, mit der die Natur in diesen unscheinbaren Details ihre Gestaltungskraft entfaltet. Bisweilen nutzt sie tatsächlich Lupen, um die kaum sichtbaren Details bei ihren Fundstücken so genau wie möglich zu erfassen. In der stark vergrößerten Zeichnung erhalten diese kaum wahrnehmbaren Gebilde eine beeindruckende Monumentalität.

Zum Schluss meines Vortrags noch einen Blick auf die Werke des Schweizer Künstlers Urs Bratschi. Es ist für den Schweizer Humor nicht ungewöhnlich, mit überraschenden Effekten zu verblüffen. So auch die ornamenthaft angelegten Arbeiten dieses Künstlers, der all dies in sorgfältiger Feinarbeit aus unterschiedlichen Nudelsorten, italienisch Pasta, geschaffen hat. Wären diese Materialien nicht in Kunstharz eingegossen, könnten wir sie problemlos verspeisen, bemerkt der Künstler einmal und verweist darauf, dass er sein Ausgangsmaterial nicht färbte, sondern aus farblich unterschiedlichen Teigmassen hergestellt hatte.

Aus der Natur kommend, biologisch abbaubar und dennoch, in Kunstharz eingegossen, für die Ewigkeit bestimmt. Lassen Sie sich verzaubern, auch von diesen ungewöhnlichen Kunstwerken.

Text: Dr. Helmut Orpel

• 17. Mai 2024

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